meine Rollen: Co-Moderation und Koordination der Tischgespräche; künstlerische Beratung für
die Installationen Stille Zeugen und Tischgespräche
VIELSCHICHTIGE GESCHICHTE(N)
Festival der Regionen, 2021
Bad Ischl / Salzkammergut
Welche Geschichten bewegen uns? Und wie greifen wir sie auf, um sie zu erzählen?
Teresa Distelberger und ihr multidisziplinäres Team aus Künstler_innen, Bürger_innen, Schüler_innen und lokalen Historiker_innen beschäftigten sich in einem mehrmonatigen partizipativen Prozess mit Geschichte(n) der 1930er/40er Jahre in Bad Ischl, Bad Goisern und Hallstatt. Soziale Plastik oder kulturelle Akupunktur entstand dabei durch drei verschiedene Formate mit den Titeln: Fundstücke, Stille Zeugen und Tischgespräche.
Konzept und künstlerische Leitung: Teresa Distelberger
Dokumentation des Gesamtprojekts: www.artofco.com
TISCHGESPRÄCHE
Dialogische Kunst und Installation
„Durch’s Reden kommen d’Leut zsamm“, so auch an einem Tisch in vertrauter Runde. Welche Geschichten erzählen wir uns, wenn wir zusammensitzen – und welche eher selten? Welche Geschichten werden in einer Familie oder einer Ortschaft von einer Generation an die nächste weitererzählt und welche Geschichten fallen dabei als schwer verdaulich „unter den Tisch“? In einer Serie von moderierten Tischgesprächen wurden interessierte Menschen aus der Bevölkerung eingeladen, Geschichten aus ihren Familien und Ortschaften zu erzählen. Durch behutsame, präzise gestaltete Impulse des Moderationsteams entstand ein vertrauensvoller Rahmen, der Tiefgang und vielleicht den Beginn von Metabolisierung ermöglichte.
Im Rahmen des Projekts fanden vier offene Tischgespräche statt: 1. Juni in Hallstatt,
8. Juni in Bad Goisern, 15.+29. Juni in Bad Ischl (in Kooperation mit Günter Kaindlstorfer, Radio Ö1) .
Dialogische Gestaltung: Teresa Distelberger und Mario* Sinnhofer
Auch mit Schüler_innen der Welterbe Mittelschule und der Digi Mittelschule Bad Goisern fanden Tischgespräche im Rahmen eines fächerübergreifenden Projekts statt. Von den Geschichtslehrerinnen motiviert, wurde im ersten Schritt von den Jugendlichen in deren eigenen Familien nach Geschichten der 1930er/40er Jahren gefragt. Aus diesen Erzählungen entstanden dann im Handarbeitsunterricht Bilder, in denen historische Fotos mit Lavendelöl-Druck auf Leinen übertragen, und zusätzlich mit Hinweisen auf die Hintergrund-Geschichten bestickt wurden. Die gesammelten Arbeiten / bzw. Geschichten wurden durch jeweils ein Beispiel aus den offenen Tischgsprächen (siehe oben) ergänzt, zu einem gemeinsamen Tischtuch vernäht, und in einer Installation im Hand.Werk.Haus Bad Goisern aufgetischt.
Von der lokalen Bevölkerung wurden alte Stoffe zum Bedrucken und besticken für dieses Tischtuch gespendet – darunter auch Teile des geschichtsträchtigen „Steeger Leinens“: In Steeg am Hallstättersee hatten die Nationalsozialisten große Mengen an Stoffen zur Versorgung ihrer „Alpenfestung“ eingelagert. Die Not und das Chaos zum Kriegsende veranlasste viele Ortsansässige, wertvolles Leinen von dort zu entwenden, das heute noch in einigen Haushalten zu finden ist.
Die Installation wurde über das Festival der Regionen hinaus vom Hand.Werk.Haus Bad Goisern im Rahmen der Ausstellung Handwerk bittet zu Tisch präsentiert, zusammen mit schriftlichen Kurzbeschreibungen der dargestellten Geschichten. Durch die Kooperation mit Barbara Kern, Kuratorin und Kunstvermittlerin des Hauses, wurde die Installation weiterhin mit Gesprächen über vielschichtige Geschichte(n) der 1930er/40er Jahre belebt.
STILLE ZEUGEN
Installation im öffentlichen Raum und Performance
Im Sisipark Bad Ischl tauchten aus der gepflegten Rasenoberfläche antiquarische Möbelstücke wie Teile einer verdrängten Vergangenheit an der Oberfläche auf. Sie erinnerten daran, dass im Zuge der Aufarbeitung der „Arisierung“ von Villen jüdischer Bürger_innen die ursprüngliche Ausstattung mit Möbel und Hausrat nur selten restituiert wurde, und so manche Stücke sich – wissentlich oder unwissentlich – noch immer in vielen Haushalten der Region befinden. Welche Besitzwechsel haben die Möbelstücke erfahren, was könnten sie uns erzählen, und zu welchen Fragen laden sie uns ein?
Die installierten Möbelstücke wurden von Menschen aus der Region für das Projekt gespendet (bzw. über den Gebrauchtmarkt gefunden), und von der Klasse für Restauriertechnik der HTBLA Hallstatt umgebaut.
Der Musiker, Choreograph & Performer Simon Mayer entwickelte für die Installation eine Performance mit dem Titel Der Erbe, in der er sich mit den inneren Konflikten jener Menschen beschäftigte, die in einem „arisierten“ Haus geboren wurden oder Stücke aus dem Raubgut von „Arisierungen“ geerbt haben.
p.s.: Wer sich die Mühe gemacht hat, das Projekt bis hier ganz zum Ende aufmerksam zu lesen, könnte sich eventuell die Frage stellen: „Puh.. wie geht man als Künstler_in damit um, mit einem so hohen Grad an zwischenmenschlicher Komplexität konfrontiert zu sein? Besonders, wenn es sich um Themen wie der NS-Vergangenheit eines Ortes handelt, wodurch immer auch die Ebene des kollektiven und transgenerationalen Traumas berührt wird?“ Teresa Distelberger beschreibt hier, wie sie (mit Hilfe von Coaching und Beratung durch Karoline Maria Wibmer) in solchen Projekten für sich selbst und auch für das Kernteam einen Rahmen schafft, der dabei hilft, diese Komplexität zu halten – und die Themen für sich persönlich zu verdauen.